Das Gartenparadies des Herzberger Fabrikanten Marx

Die Herzberger Galvanik blickt auf eine beeindruckende Standorthistorie zurück

Herzberg. Dass in Herzberg nach mehr als 100 Jahren heute noch immer Armaturen beschichtet und veredelt werden, ist fast ein Wunder. Nach Grohe und Siedle sind es nun wieder die Herzberger, die die Geschäftsgeschicke der OFB Oberflächenbearbeitung Kimax GmbH in den Händen halten. Genau so fing die Geschichte der Armaturenproduktion und –beschichtung in der Stadt an. Zwischen Radelandweg und Bahnhof eröffneten 1900 Carl Marx und Otto Moschütz eine Gelbgießerei und Armaturenfabrik. 1901 übernahm Carls Bruder Wilhelm Marx die Leitung und gab der Fabrik und auch dem Herzen der Stadt ein ganz besonderes Gepräge. Einmal als wachsender Industriestandort und zum anderen als Domizil vollendeter Gartenkunst. 

Teich im Botanischen Garten in Herzberg

Wenn man heute durch den Botanischen Garten flaniert, ist der harmonische Charakter des Anwesens deutlich zu spüren. Exotische Gewächse, vom Japanischen Fächerahorn bis zum Zaubernussbaum, gedeihen hier. Das Ensemble aus Villa, Seerosenteich, Pavillon, aus Tee- und Gärtnerhäuschen trägt die Handschrift eines großen Gartenliebhabers – die des Fabrikanten Wilhelm Marx. Er legte den Botanischen Garten nach dem Vorbild des großen Pendants in Berlin-Dahlem an. 550 Sorten Rosen wurden angepflanzt, dazu 200 Rhododendronsträucher, 80 Narzissenarten, 50 Berberis, alpine Pflanzen, ausgesuchte Laubhölzer und Koniferen. Botaniker und Züchter aus nah und fern berieten den Herzberger Geschäftsmann. Pflanzen kamen aus der hiesige Gärtnerei Hausner (Nordpromenade-Kaxdorfer Weg) aber auch von holländischen Züchtern. So entstand ein bezauberndes Gartenparadies, das Wilhelm Marx als sein eigentliches Lebenswerk betrachtete. Als Stadtverordneter und ehrenamtlicher Senator brachte er sich ab 1907 in die Kommunalpolitik ein. Unterdessen wuchs das Unternehmen weiter. In den zwanziger Jahren entstanden drei Niederlassungen und eine Zweigstelle in Torgau. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Marx & Moschütz zum größten Betrieb des Kreises Schweinitz aufgestiegen und wurde schließlich komplett enteignet.

 

In einem Schreiben an die Provinzialregierung von Sachsen-Anhalt in Halle bat er, nachdem er Villa, Garten, Fabrik und etliche weitere Grundstücke verloren hatte: „Ich bin 77 Jahre alt, der Aufbau des Gartens ist mein Lebenswerk. Ich lege Wert darauf, dass derselbe mit seinen botanischen Kostbarkeiten erhalten bleibt und der Garten vor allen Dingen nicht der Verwahrlosung verfällt.“ Mit dem Herzen eines Botanikers, dem Verstand eines Kaufmannes und dem Geschick eines Schmiedemeistersohnes legte Wilhelm Marx viele Grundsteine in Herzberg. Für die Galvanik, für die Villa Marx und für den Botanischen Garten. Alles hat mehr als 100 Jahre überdauert, zugegeben mit Einschnitten aber auch mit Veredelungen. Im Gedächtnis bleibt das Werk eines Menschen, der über sein wirtschaftliches Vorankommen hinaus, für die Gemeinschaft und für die Stadt viel Positives bewirkt hat.

 

 

Quelle: Stephanie Kammer